Politik
Europa erneuern!
Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine ist eine Zäsur für Europa. Fast 80 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges ist der Frieden in Europa nicht mehr so bedroht, wie durch diesen Überfall. Der 24. Februar 2022 markiert eine Zeitenwende für unsere Gesellschaft und die Europäische Union. Die großen Herausforderungen Migration, Klimawandel und sozialer Zusammenhalt haben sich dadurch nochmal verschärft. Die Zeitenwende muss auch für die Europäische Union einen Wandel einläuten. Eine politische und institutionelle Erneuerung zu einer sichereren, sauberen und sozialeren EU.
Sichere EU
Europa wird von innen bedroht. Die Rechtspopulist*innen, die in Ungarn, Polen, Schweden und Italien bereits an der Regierung beteiligt sind oder sie sogar mehrheitlich stellen, sind die zentrale innere Bedrohung für die Demokratie, die Freiheit und die Rechtsstaatlichkeit Europas. Offen wird auch von der AfD in Deutschland gefordert, das Europäische Parlament aufzulösen oder gar die gesamte EU. Dabei sind gerade der Nationalismus und das Einstimmigkeitsprinzip zentraler Hinderungsgrund für eine starke und handlungsfähige EU. Eine Stärkung des EU-Parlamentes und konsequente Mehrheitsentscheidungen sind die besseren Alternativen!
Europa wird von außen bedroht. Fast 80 Jahre Frieden in Westeuropa sind eine lange Zeit aber keine Garantie für die Zukunft. Der Angriffskrieg auf die Ukraine hat uns gezeigt, wie verwundbar auch wir sind. Bis heute garantiert die NATO und vor allem die USA unsere Sicherheit in Europa. Die Trump Administration hat uns vor Augen geführt, dass dies für die Zukunft nicht zwingend so bleiben wird. Trump und große Teile der Republikanischen Partei in den USA fordern, dass Europa seine Sicherheits- und Verteidigungspolitik selbst in die Hand nimmt. Nach dem Ende des kalten Krieges haben wir als Sozialdemokrat*innen die Bedrohung von außen durch konventionelle militärische Streitkräfte für vernachlässigbar gehalten. Neue Bedrohungen durch asymmetrische Kriege, Konflikte in Regionen, auf deren Rohstoffe wir angewiesen sind, und der internationale Terrorismus sind in den Vordergrund gerückt. Durch die Zeitenwende ist jetzt klar, dass auch ein Angriffskrieg mit konventionellen Mitteln zu einer Gefahr für unseren Frieden, unsere Demokratie und unsere Freiheit werden kann. Wir müssen darauf politisch reagieren.
Wir brauchen eine starke europäische Außen- und Verteidigungspolitik, die im Zweifel auch auf eigene europäische militärische Ressourcen zugreifen kann. Eine neue Außen- und Verteidigungspolitik der EU muss wertegebunden sein. Sie setzt auf Diplomatie und Verständigung. Sie ist eingebunden in einen Multilateralismus und dennoch unabhängig. Dazu ist das Einstimmigkeitsprinzip in der Außen- und Sicherheitspolitik abzuschaffen. Wir müssen außerdem bei der Beschaffung von neuen Waffensystemen stärker als bisher kooperieren und damit effizienter werden.
Soziale EU
Die Transformation kann nur gelingen, wenn sie den sozialen Frieden nicht gefährdet. Schon jetzt driften die Einkommen und die Vermögen auseinander. Die Armut nimmt zu und gleichzeitig sind die großen Vermögen in den letzten Wirtschaftskrisen eher gestiegen denn gesunken. Eine Transformation, die diese Ungleichverteilung weiter verschärft, trifft auf den erbitterten Widerstand der SPD. Neben öffentlichen Investitionsprogrammen brauchen wir mehr Mitbestimmung. Wir brauchen gerade in der Transformation eine Stärkung der europäischen Betriebsräte (EBR). Dabei geht es um einklagbare Anhörungs- und Informationsrechte. Außerdem müssen wir verhindern, dass die Unternehmensmitbestimmung durch die Gründung von Europäischen Aktiengesellschaften (SE) unterwandert wird. Seit 2004 können Firmen eine SE in Europa gründen. Jede zweite operativ tätige SE kommt aus Deutschland, obwohl der deutsche Anteil am BIP der EU nur bei 25% liegt. Dies mit der Exportstärke deutscher Firmen zu begründen, ist nicht schlüssig. Viele der SE sind gar nicht im europäischen Ausland aktiv. Die SE wird als Gesellschaftsform missbraucht, um Mitbestimmung auf Unternehmensebene insbesondere die Beteiligung von Arbeitnehmer*innen in einem Aufsichtsrat zu umgehen. Damit Transformation gelingt, brauchen wir mehr Mitbestimmung. Die Gründung eines Aufsichtsrates und eine konsequente Einbindung von Arbeitnehmer*innen in Kapitalgesellschaften mit mehr 500 Beschäftigten muss europaweit gelten.
Darüber hinaus müssen wir gleichen Lohn für gleiche Arbeit europaweit umsetzen. Vor allem Frauen verdienen immer noch deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen. Deutschland liegt hier weit hinter dem EU Durchschnitt zurück, auch wenn in Betrieben mit Tarifbindung und Betriebsrat der Abstand deutlich geringer ist. Die kürzlich beschlossene EU Lohntransparenzrichtlinie ist jetzt zügig in deutsches Recht umzusetzen. 2023 fällt der Equal Pay Day auf den 7. März. Der Tag markiert symbolisch den Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen. Bis zu diesem Tag arbeiten Frauen (symbolisch) ohne Lohn, während die Männer ab dem ersten Tag des Jahres ihr Entgelt erhalten. Der Equal Pay Day muss zukünftig auf den 1. Januar fallen.
Saubere EU
Mit dem Greendeal wollen wir in der EU auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2030 55% der CO2 Emissionen einsparen. Dieses Ziel ist sowohl ambitioniert und zur Einhaltung des 1,5 Grad Ziels gleichzeitig absolut notwendig. Die Zeitenwende hat außerdem deutlich gemacht, dass wir uns aus sicherheitspolitischen Gründen unabhängiger von fossilen Energieträgern außerhalb Europas machen müssen. Das ist eine Chance, noch mehr Anstrengungen für eine CO2 freie europäische Wirtschaft zu unternehmen. Gleichzeitig wollen wir keine Deindustrialisierung in Europa. Gerade in Niedersachsen und Hannover fußt unser Wohlstand auf einer einer starken Industrie. Wir wollen daher eine Transformation gestalten, die unsere Industrie auf eine CO2 neutrale Produktion umstellt. Das hält wichtige Industriearbeitsplätze auch in Zukunft in Deutschland. Dafür benötigen wir eine Energiewende. Wir wollen in Niedersachsen Energieland Nummer eins werden und noch viel mehr Strom aus regenerativen Quellen - vor allem aus Windenergie - gewinnen. Das darf nicht dazu führen, dass sich der Strompreis so verteuert, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit gefährdet ist. Dafür benötigen wir öffentliche Investitionen und Subventionen.
Darüber hinaus brauchen wir grünen Wasserstoff, um Erdgas als fossilen Energieträger abzulösen. Solange grüner Wasserstoff vor allem für die Grundstoffchemie, die Stahl- oder die Glasindustrie nicht in ausreichender Menge zur Verfügung steht, brauchen Wasserstoff, der nicht ausschließlich aus erneuerbaren Quellen gewonnen wird. Nur so können wir heute bereits eine entsprechende Infrastruktur aufbauen und eine Umstellung der energieintensiven Industrien zügig umsetzen.
Für diesen Umbau unserer Wirtschaft innerhalb weniger Jahre ist eine Anstrengung erforderlich, die alle Ebenen fordert. Wir brauchen Investitionen aus dem Land, dem Bund und Europa. Für eine begrenzte Zeit macht es auch Sinn unsere Industrien stärker vor außereuropäischer Konkurrenz zu schützen. Vor allem die USA haben mit ihrem Inflation Reduction Act gezeigt, wie es gehen kann. Große Steueranreize, die geknüpft sind an gute Arbeitsbedingungen und Produktion im eigenen Land, soll die Industrie in Amerika wieder stärken und grüner machen. In Europa müssen wir hierauf eine Antwort finden und so bspw. auch bereit sein, das europäische Beihilfesystem auszuweiten und zu reformieren. Wir müssen außerdem bestimmte Märkte während des Umbruchs schützen und Anreize zur Rückkehr bestimmter Industrien schaffen. Vor allem die Herstellung von Arzneimitteln, Medizinprodukten und Halbleitern sind wieder zurück in die EU zu holen. Dies schafft Zukunftsperspektiven für junge Menschen und sichert bestehende gute Arbeitsplätze ab.
Europa im Herzen
So wichtig wie ein funktionierendes soziales, sauberes und sicheres Europa ist, genauso müssen wir ein Zusammenwachsen dieses Europas in den Herzen fördern. Dazu ist es wichtig, europäische Integration zu leben und persönlich zu erfahren. Jede*r Jugendliche soll vor ihrem*seinem 25. Geburtstag die Möglichkeit bekommen, eine gewisse Zeit im europäischen Ausland zu verbringen. Sie oder er kann dort studieren, einer Arbeit oder einer Ausbildung nachgehen. Auch entsprechende Schulaustauschprogramme wollen wir wieder stärker fördern.
Kommunale Städtepartnerschaften stärken. Bislang finden Städtepartnerschaften vorwiegend auf der kulturellen Ebene statt. Jugend- und Schüler*innenaustausche, Sport- und Freizeitvereine organisieren die gegenseitigen Besuche. Wir wollen den politischen Austausch in Europa fördern. Stadt- und Gemeinderäte sollen verstärkt sich politisch austauschen können, mit gemeinsamen Sitzungen oder regelmäßigen Austauschen zu gemeinsamen europäischen Herausforderungen. Hierfür sollen künftig ebenfalls Fördermitteln bereitgestellt werden.
Darüber hinaus soll jede*r EU Bürger*in die Möglichkeit bekommen, an einer Plenarsitzung des Europäischen Parlamentes teilzunehmen. Bislang werden diese Reisen lediglich bezuschusst, was viele Menschen schon aus finanziellen Gründen von einem solchen Besuch abhält. Um dieses zu finanzieren, wird das EU Parlament von Straßburg nach Brüssel verlegt. Damit tagt das Parlament nur noch an einem Sitz. Das Parlament an mur einem Sitz tagen zu lassen, spart 100 Millionen Euro und 20.000 Tonnen CO2 pro Jahr. Das ist Geld, was für Besucher*innengruppen deutlich besser anlegt ist.
Darüber hinaus brauchen wir einen gemeinsamen europäischen Feiertag. Der 9. Mai als Europatag sollte in allen 27 Mitgliedstaaten gesetzlicher Feiertag werden.
Europa der Menschen
Europa steht für grenzenlose und unbürokratische Reisemöglichkeiten. Jede*r kann heute mit einem dem Zug mit einem Interrail Ticket quer durch Europa fahren und wird dabei nicht durch lange Grenzkontrollen aufgehalten. Arbeiten oder Ausbildung im EU Ausland sind heute ohne große Hürden möglich. Rassist*innen und Rechtspopulist*innen lehnen diese europäischen Freiheiten ab. Wir setzen dem ein Europa der Menschen entgegen, die diese Freiheiten leben wollen. Dieses Europa der Menschen ist ein starkes Bollwerk gegen Nationalismus und Rassismus.